Buntpapier im Künstlerbuch?

Als in der Vorbereitung auf „Muster im Rausch II“ die Frage aufkam, wie sich Buntpapier und Künstlerbuch verbinden lassen, dachte ich anfangs nur an Bezugspapiere und Vorsätze und vielleicht kleinere Elemente im Buch. Aber sonst? Nein. Doch genauer betrachtet, kann ich selbst zwei Beispiele meiner eigenen Künstlerbücher anführen: „Nur einen Moment innehalten …“ und das noch unfertige „Was bleibt“, für die ich Buntpapiertechniken ganz selbstverständlich verwendet habe, weil sie aus meiner Sicht den Inhalt am besten transportieren. Einerseits durch das Erscheinungsbild, vor allem aber durch die Arbeitsweise beziehungsweise Ausführung der Technik sowie durch meine eigene Erfahrung, während ich die Technik ausführe. Es entstehen Unikate in Serie – im Gegensatz zur gedruckten Auflage, bei der jedes Exemplar dem anderen gleicht.
Buntpapiere werden meist als Bezugspapiere verwendet und daher einseitig bearbeitet. Ob für Bücher, Schachteln oder Möbelelemente, es sind meist dekorative Flächenmuster. Doch gehen zeitgenössische Buntpapiere teilweise über die klassische Herangehensweise hinaus und sind beispielsweise verwandt mit expressiver Malerei. Und dort anzusetzen und weiterzudenken finde ich sehr reizvoll. Wie lassen sich Buntpapiere oder Buntpapiertechniken zum Beispiel für Künstlerbücher verwenden? Kann das ein Ansatzpunkt sein, um ein Künstlerbuch zu entwickeln? Und bis wann kann man ein Papier, welches beidseitig bearbeitet ist, noch Buntpapier nennen? Ab wann wird es eher zu Grafik oder Malerei auf Papier? Okay, die Grenzen sind fließend … Soll es dekoratives Element in einem Buch sein und Teile des Inhalts voneinander trennen oder diesen strukturieren? Oder soll es tragendes Element werden oder Hintergrundrauschen oder erzählerische Bildebene?

Im letztem Jahr habe ich an einem Dummy für mein nächstes Künstlerbuch „Was bleibt“ gearbeitet. Es sollte sich im weitesten Sinne mit dem Thema Landschaft auseinandersetzen. Anfangs schwebte mir vor, mich intensiver mit der Vulkanlandschaft der Eifel zu beschäftigen im Vergleich zu der Landschaft des Huy im Vorharz. Beides Gegenden, in denen ich schon häufiger war und die mich immer wieder aufs Neue fasziniert haben. Vor allem, weil sie sehr stark vom Menschen geprägt sind, zum Teil stark zerstört, renaturiert, als Beispiellandschaft zum Experimentierfeld erkoren wurden und gleichzeitig eine romantische Vorstellung von Landschaft in mir wecken. Im Sommer wollte ich mir einen Teil der Eifel aussuchen und näher erkunden.
Doch überschattete die Flutkatastrophe in der Eifel mein Vorhaben und warf alles durcheinander. Katastrophentourismus liegt mir fern, also ließ ich von der Reise ab. Doch ließen mich die Bilder der Berichterstattung nicht mehr los und wurden am Ende zum Thema des Buches. Ich wollte die unkontrollierbare zerstörende Kraft und Wucht der Katastrophe in Buchform übersetzen.
Nach unbefriedigenden Versuchen mit verschiedenen Drucktechniken erinnerte ich mich an die historische Buntpapiertechnik der Rieselpapiere, um dem Buch ein befremdliches Rauschen zu geben und zwar nicht im Hintergrund, sondern alles andere überlagernd und partiell verdeckend, fast verschluckend. Es ist ein Spiel mit dem Zufall, bei dem ich zwar die Farbe und die Riesel- oder Ausschwemmrichtung festlege, aber nicht die endgültige Gestalt. Für die Textebene schrieb ich Gedankenschnipsel aus der Ich-Perspektive einer fiktiven Person, die direkt von der Flutkatastrophe betroffen war und mit der Ohnmacht und Hilflosigkeit kämpft. Begleitet wird der Text von einer meiner Fotoserien, blattfüllend digital gedruckt, mit Detailaufnahmen von Wegen, Steinen, Moosen und Flechten, die eigentlich die Schönheit der Natur zeigen sollen. Nun ist ein Großteil der Fotos und ein Teil des gedruckten Textes von schlammigen Braun-Grün-Tönen verdeckt.
Der Entwicklungsprozess ist noch nicht zu Ende und ich möchte noch mit weiteren Papierarten experimentieren, weil die Haptik des Dummys noch nicht exakt meinen Vorstellungen entspricht. Mal sehen, wohin die Reise geht.

Arbeit am Künstlerbuch „Was bleibt“ © Rita Lass

Und mein zweites Beispiel „Nur einen Moment innehalten …“? Schaut einfach selbst: https://www.ritalass.de/index.php/buchkunst/nur-einen-moment-innehalten/

Mehr über diese Arbeit und mich könnt ihr im MDE-Rundbrief 2015.2 ab Seite 18 lesen:  http://mde-einbandkunst.eu/wp-content/uploads/2021/03/MDE_Rundbrief_2015.2_Leseprobe.pdf

www.ritalass.de

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